Medizinisch-Ökonomischer Fußabdruck der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands

Vom „Impact“ der Fachärztinnen und Fachärzte in Deutschland

Die medizinische Versorgung ist ein entscheidender Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems und spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung. Die Leistungen der Fachärztinnen und Fachärzte für die Gesellschaft oder auch neudeutsch formuliert der Impact der medizinischen Versorgung durch Fachärztinnen und Fachärzte geht dabei weit über den Gesundheitssektor hinaus. Er erstreckt sich über alle gesellschaftlichen Bereiche und prägt das tägliche Leben der Menschen in Deutschland.

Deutschland kann immer noch stolz sein auf sein Gesundheitssystem. Es besticht durch ein Merkmal, das allzu häufig als selbstverständlich angesehen wird: den niedrigschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung für die Bevölkerung. Durch ein gut ausgebautes Netzwerk von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und weiterer Gesundheitseinrichtungen haben die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands in der Regel einen leichten Zugang zu medizinischer Behandlung und Pflege. Dies trägt dazu bei, Krankheiten frühzeitig zu erkennen, zu behandeln und ihre Auswirkungen zu minimieren. Auch in der COVID-19-Pandemie hat sich dieses engmaschige Netzwerk aus vorwiegend vielen wirtschaftlich selbständigen kleinen Einheiten als außerordentlich effizient, schlagfertig und krisenresilient erwiesen.

Darüber hinaus hat die medizinische Versorgung in Deutschland aber auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Einfluss und dies sowohl direkt als auch indirekt. Der Gesundheitssektor ist ein wichtiger, oft unterschätzter Wirtschaftsfaktor und schafft Millionen von Arbeitsplätzen in Bereichen wie Medizin, Pflege, Forschung und Pharmazie. Zudem gilt: nur eine gesunde Gesellschaft ist eine produktive Gesellschaft! Der Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung hat maßgeblichen Einfluss auf die deutsche (Volks-)Wirtschaft. Wer ökonomisch denkt, kann also nicht an der Gesundheitsversorgung sparen wollen!

Der demografische Wandel und der medizinische Fortschritt führen zu einem steigenden Bedarf an Pflege und Betreuung und stellen das Gesundheitswesen vor immense Herausforderungen. 

Um diesen zu begegnen und nachhaltig die medizinische Versorgung in Deutschland sicher zu stellen, sind kontinuierliche Investitionen in die Gesundheitsinfrastruktur, die Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten und medizinischen Fachkräften sowie die Förderung von Forschung und Innovation erforderlich. Damit die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland hoch bleibt, bedarf es der richtigen Rahmenbedingungen.

Dazu zählt auch eine nachhaltig und solide aufgestellte Finanzierung. In Zeiten von krisenbedingter Inflation, gestiegenen Energiepreisen und zunehmendem Fachkräftemangel sind die finanziellen Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen (Weiter-)Betrieb einer Facharztpraxis für viele Fachärztinnen und Fachärzte in Schieflage geraten. Die Budgetierung ärztlicher Leistungen verschärft diese Rahmenbedingungen und resultiert zwangsläufig in Leistungseinschränkungen und damit längeren Wartezeiten auf Facharzttermine für Patientinnen und Patienten.

Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) als der Interessensverband für Fachärztinnen und Fachärzte in Klinik und Praxis in Deutschland setzt sich dafür ein, dass gute Rahmenbedingungen auch in Zukunft gegeben sind und damit die enorme Tatkraft der Fachärzteschaft in Deutschland erhalten bleibt. Mit dieser Broschüre möchte der SpiFa diese enorme Leistungsfähigkeit genauer beleuchten und die Bedeutung der Leistungsfähigkeit der Fachärztinnen und Fachärzte in Zahlen, Daten und Fakten hervorheben – medizinisch wie ökonomisch.

Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland

Deutschlands Gesundheitswirtschaft umfasst die Herstellung und Vermarktung von Waren und Dienstleistungen für die Bewahrung und Wiederherstellung von Gesundheit.1 Sie gliedert sich dabei in die drei nachfolgenden Bereiche2:

Die medizinische Versorgung durch

  • Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte
  • Krankenhäuser
  • Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen
  • Praxen sonstiger medizinischer Berufe
  • (Teil-)stationäre Pflegeeinrichtungen
  • Ambulante Pflegedienste und -einrichtungen

 

Die industrielle Gesundheitswirtschaft wie beispielsweise

  • Humanarzneimittel
  • Medizintechnik
  • Vertrieb und Großhandel
  • Körper-, Hygiene- und Pflegeprodukte
  • Sport- und Freizeitgeräte
  • Industrielle Forschung und Entwicklung
  • E-Health

 

Weitere Teilbereiche der Gesundheitswirtschaft wie

  • Krankenversicherungen
  • öffentliche Verwaltung
  • Waren zur eigenständigen Gesundheitsversorgung
  • Sport-, Wellness- und Tourismusdienstleistungen
  • Einzelhandelsleistungen
  • Sonstige Dienstleistungen
Quelle: eigene Darstellung nach Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2023): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Daten 2022.

Die deutsche Gesundheitswirtschaft leistet einen zentralen Anteil für den Wirtschaftsstandort in Deutschland:

12,7% der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung im Jahr 2022 sind auf die Gesundheitswirtschaft zurückzuführen. Zudem stellt die Gesundheitswirtschaft in Deutschland 17,7% und damit 8,1 Millionen Arbeitsplätze. Außerdem sind ihr 9,8% der gesamtdeutschen Exporte zuzuschreiben. Die Bruttowertschöpfung liegt damit bei knapp 440 Mrd. Euro für Deutschland, umgerechnet wird demnach jeder achte Euro in der Gesundheitswirtschaft erzielt.

Das hinterlässt einen ökonomischen Fußabdruck der Gesundheitswirtschaft von 775 Mrd. Euro und bedeutet, dass mit jedem produzierten Euro im Gesundheitswesen 0,76 Euro zusätzliche Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft entstehen.3 Über die Hälfte der Bruttowertschöpfung erfolgt dabei durch eine medizinische Versorgung der Wohnbevölkerung.

„Diese drei Faktoren – der medizinische Fortschritt für ein längeres und gesünderes Leben, der wachsende Behandlungsbedarf einer alternden Bevölkerung und die hohe Personalintensität des Gesundheitssektors – werden auch künftig zu einem wachsenden Anteil der Gesundheitsausgaben an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung führen. Dies ist bereits dadurch bedingt, dass Produktivitätsfortschritte bzw. Möglichkeiten der Automatisierung im personalintensiven Gesundheitswesen – wie auch in den meisten anderen personennahen Dienstleistungsbereichen – nur in geringerem Umfang als in anderen Sektoren möglich sind. Dies macht eine auskömmliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich, die den Gesundheitssektor nicht nur als Kostenfaktor begreift, sondern seine Bedeutung für das Wohlergehen der Bevölkerung würdigt und als attraktives Beschäftigungsfeld erhält. Moderat steigende Beiträge als Ausdruck einer solidarischen Finanzierung eines auch weiterhin hochwertigen Gesundheitswesens für die breite Bevölkerung dürfen daher auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden.“

Empfehlungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 220 Abs. 4 SGB V, Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vom 31. Mai 2023

Gesundheitswesen als Beschäftigungsmonitor

Knapp 8,1 Millionen Menschen in Deutschland sind im Gesundheitswesen tätig und damit rund 17,7% aller Erwerbstätigen in Deutschland. Jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland liegt folglich im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Innerhalb der letzten neun 9 Jahre sind über eine Million neuer Arbeitsplätze entstanden, das entspricht einem Wachstum um 20,9 %. Der Anteil an Frauen im Gesundheitswesen macht dabei mehr als drei Viertel aller Beschäftigten aus.4

Im Vergleich: Die Automobilindustrie

Die Automobilindustrie gilt in Deutschland als die größte Branche des verarbeitenden Gewerbes und ist, gemessen am Umsatz, der bedeutendste Industriezweig Deutschlands.5 Die Automobilindustrie beherbergte laut dem Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) in 2020 insgesamt rund 774.000 Beschäftigte. Seit 2018 verzeichnet die Automobilbranche jedoch mit rund -7,2% einen deutlichen Rückgang der Beschäftigten.6 Im direkten Vergleich miteinander steht die Gesundheitsbranche mit rund 7,3 Millionen mehr Beschäftigten als in der Automobilbranche als wahrer Jobmotor Deutschlands da. Neben den angestellten Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis sowie den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sind im Gesundheitswesen zahlreiche weitere Arbeitsplätze verortet. Darunter fallen beispielsweise medizinische Fachangestellte (MFA), Verwaltungsangestellte, Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger sowie weitere Berufe. Auch indirekt steuert die Gesundheitswirtschaft weitere 4,5 Millionen Arbeitsplätze bei, beispielweise durch spezialisierte IT-Dienstleister und Lieferanten.

Die Zahl der Erwerbstätigen in der Gesundheitswirtschaft steigt langfristig an. Jede Erwerbstätigkeit in der Gesundheitswirtschaft finanziert dabei rund 1,5 weitere Arbeitsplätze in der gesamten deutschen Volkswirtschaft.

Quelle: eigene Darstellung nach Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2023): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Daten 2022.

Medizinische Versorgung durch Fachärztinnen und Fachärzte in Deutschland

Fachärztinnen und Fachärzte in Klinik und Praxis, gleichwohl ob sie in einem Angestelltenverhältnis oder als selbständige freie Unternehmerinnen und Unternehmer tätig sind, bilden für die Gesundheitsversorgung in Deutschland das Rückgrat der medizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Insgesamt waren 2022 in Deutschland 421.303 Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis berufstätig.7 Der Anteil der Fachärztinnen und Fachärzte beläuft sich dabei auf insgesamt 59,85% aller berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.
Quelle: eigene Darstellung nach Bundesärztekammer (2022): Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2022

Das Leistungsvermögen der Ärzteschaft insgesamt und der Fachärztinnen und Fachärzte im Besonderen in der medizinischen Versorgung ist beeindruckend:

  • 557,5 Millionen Behandlungsfälle8 in der gesetzlichen Krankenversicherung werden insgesamt durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, sowie ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten pro Jahr für 74 Millionen versicherte Patientinnen und Patienten.

 

  • 339,5 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr, rund 61% aller Behandlungsfälle werden dabei durch die niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte in der ambulanten Grundversorgung sowie der spezialisierten Versorgung versorgt.

 

  • Berücksichtigt man, dass Patientinnen und Patienten pro Quartal durchschnittlich 2-3 mal ihre Ärztin oder ihren Arzt aufsuchen, ergeben sich daraus jährlich rund 1,4 Mrd. Arzt-Patienten-Kontakte in der ambulanten Versorgung.
    Hinzu kommen weitere 16,8 Millionen Patientinnen und Patienten, die im Krankenhaus von den Fachärztinnen und Fachärzten versorgt werden. Dabei liegt die Verweildauer der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus bei durchschnittlich 7,2 Tagen.9

Unternehmerisch tätig: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Eine fachärztliche Versorgung in Deutschland findet nicht nur im Krankenhaus statt, sondern vor allem in den Praxen der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte. In dem derzeit (noch) existierenden Netzverbund an Praxen der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte werden dabei 40-mal so viele Behandlungsfälle pro Jahr versorgt wie in Deutschlands Krankenhäusern.10 Insgesamt waren im Jahr 2022 149.590 Fachärztinnen und Fachärzte in der ambulanten Versorgung tätig und damit knapp 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr.11 Trotz dieses Anstiegs ist die Anzahl der fachärztlichen Praxisinhaberinnen und -inhaber jedoch von 108.459 auf 104.669 gesunken.12 An diesem Rückgang um knapp 3.800 Praxen lässt sich erkennen, dass der selbständige Betrieb einer eigenen Praxis unter den derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Fachärztinnen und Fachärzte offenkundig an Attraktivität verloren hat. Die Bruttowertschöpfung der Fachärztinnen und Fachärzte in Praxen lag 2022 durchschnittlich bei 52,3 Mrd. Euro und damit bei 11,9% der Bruttowertschöpfung des Gesundheitswesens insgesamt.13 Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Niederlassung:
Quelle: eigene Darstellung

Wo und wie sich Ärztinnen und Ärzte niederlassen können, hängt von der Bedarfsplanung ab, die regelt, wie viele Ärztinnen und Ärzte es in einer Region gibt und wie sie sich zu verteilen haben.

Wo und wie sich Ärztinnen und Ärzte niederlassen können, hängt von der Bedarfsplanung ab, die regelt, wie viele Ärztinnen und Ärzte es in einer Region gibt und wie sie sich zu verteilen haben.

Dr. med. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender
Spitzenverband Fachärztinnen und
Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa)

Investitionen in eine eigene Praxis

Pro Jahr investieren niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte rund 90.300 Euro pro Praxis14 in den Aufbau von Arbeitsplätzen und effektiven Versorgungsstrukturen, sei es durch den Neu- oder Umbau einer Praxis, die Anschaffung von Untersuchungsgeräten oder die Büroausstattung zum Betrieb der Praxis. Praxen sind Wirtschaftseinheiten, die fortlaufend in ihren Betrieb und in Arbeitsplätze investieren. Praxisinhaberinnen und -inhaber müssen ebenso auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren wie andere Unternehmerinnen und Unternehmer, sei es auf die Verknappung von Ressourcen wie Personal oder die Weiterentwicklung der Strukturen, beispielsweise der Digitalisierung von Prozessen.

Existenzgründung

Eine Existenzgründung für Ärztinnen und Ärzte gestaltet sich oft sehr unterschiedlich, ob nun bei einer Praxisübernahme oder durch eine Neugründung. Die Kosten für die Gründung einer Hausarztpraxis betrugen im Jahr 2021/2022 rund 179.100 Euro.15 Die Kosten für die Gründung einer fachärztlichen Praxis lagen im Vergleich oft deutlich höher: im Durchschnitt investieren Fachärztinnen und Fachärzte zwischen 100.000 und 400.000 Euro. Die Kosten für die Gründung oder Übernahme einer Praxis sind dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie beispielweise:

  • der Modernität der Ausstattung der Praxis,
  • ob es sich um eine kassenärztliche oder eine rein privat
  • ausgerichtete Praxis handelt,
  • ob es eine Fach- oder Hausarztpraxis ist,
  • der Lage und Verkehrsanbindung,
  • der Infrastruktur,
  • dem Image und dem Bekanntheitsgrad,
  • der Größe der Praxis,
  • der regionalen Versorgungsgegebenheiten,
  • sowie der Restlaufzeit von bestehenden Verträgen.16

Kosten des laufenden Praxisbetriebs

Quelle: eigene Darstellung nach Zi Praxis Panel Erhebung (2021), Personal- und Betriebskosten, Statistisches Bundesamt (Inflationsrate).
Neben der Ärztin und dem Arzt ist in den Praxen eine Vielzahl weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Diese sind je nach Praxis insbesondere medizinische Fachangestellte (MFA), medizinisch-technische Assistentinnen und Assistenten (MTA) sowie weitere unterstützende Berufe. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind daher nicht nur ihrem medizinischen Berufsethos gegenüber verpflichtet, sondern auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So sind beispielsweise insgesamt 330.000 medizinische Fachangestellte (MFA) in der ambulanten Versorgung für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte tätig. Einer der größten Kostenfaktoren in einer Praxis sind folglich die Personalausgaben. Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt („Fachkräftemangel“), aber auch die wirtschaftliche Lage insgesamt haben den Kostendruck auf die Praxen der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Untersuchungen der Kostenentwicklung in Arztpraxen zwischen 2017 und 2020 zeigen, dass beispielweise allein der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten eines Praxisbetriebes bei rund 56% lag und stetig ansteigt.17

Darüber hinaus entwickeln sich auch die weiteren Betriebskosten fort und sorgen für zusätzlichen finanziellen Druck auf die Praxen der Fachärztinnen und Fachärzte. Beispielsweise unterliegen Praxisräume rechtlichen Vorgaben, wie zum Beispiel die Größe der Behandlungsräume sowie die Anzahl der zur Verfügung stehenden Toiletten, aber auch die Genehmigung der Nutzung von Immobilien als Praxisräume. Auch der Brand-, Schall- und Wärmeschutz oder Vorgaben zur Hygiene sind gesetzlich geregelt.18 Diese Vorgaben, sowie die Bereitstellung von Personal, Arbeits- und Behandlungsmaterial sowie einer Praxisausstattung bringen einmalige sowie fortlaufende Investitionen mit sich.19 Die Gesamtaufwendungen einer Praxis für Personal- und Betriebskosten lagen im Jahr 2020 bei etwa 162.000 Euro und damit rund 5% höher als im vorangegangenen Jahr.20

Neben der eigenständigen Führung einer Praxis oder einer Anstellung im Krankhaus gibt es für Ärztinnen und Ärzten auch die Möglichkeit, sich in einer Vertragsarztpraxis, einem medizinischen Versorgungszentrum oder einer Berufsausübungsgemeinschaft anstellen zu lassen. Eine Anstellung als Ärztin oder Arzt erfreut sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit.

Quelle: eigene Darstellung nach Bundesärztekammer (2022): Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2022

Angestellte Fachärztinnen und Fachärzte im Krankenhaus

Trägerschaften der Krankenhäuser

Die stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten findet in Krankenhäusern, Rehabilitations- oder Vorsorgeeinrichtungen statt. Angestellte Fachärztinnen und Fachärzte, die in Krankenhäusern tätig sind, gehören dabei ebenso dem freien ärztlichen Beruf an wie die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Praxis. Die Freiberuflichkeit der Ärztin oder des Arztes ist unabhängig von einer Anstellung. Die Ärztin bzw. der Arzt sind als Angehörige eines freien Berufes ausschließlich ihrem beruflichen Ethos als Ärztin oder Arzt verpflichtet. Dieses Ethos umfasst eine Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl und gegenüber dem Wohl der Patientinnen und Patienten und begründet seine Verkammerung und notwendige Unabhängigkeit von direkten staatlichen Einflüssen. In den rund 1.900 Krankenhäusern Deutschlands sind 217.400 Fachärztinnen und Fachärzte tätig. Insgesamt stehen in den Krankenhäusern rund 480.000 Betten zur stationären Versorgung zur Verfügung. Im Krankenhaussektor waren insgesamt 965.327 Vollzeitkräfte beschäftigt und damit rund 0,7% mehr als noch im Vorjahr. Die Anzahl setzt sich aus 173.321 ärztlichen und aus 792.007 (0,8 % mehr als im Vorjahr) nicht-ärztlichen Vollzeitkräften zusammen. Von den 792.007 nicht-ärztlichen Vollzeitkräften entfallen dabei 376.444 auf das Pflegepersonal (1,4% mehr als 2021).21

Es gibt unterschiedliche Arten von Trägern von Krankenhäusern in Deutschland:

Quelle: eigene Darstellung
Unter den freigemeinnützigen Trägern versteht man Träger der kirchlichen und freien Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereine. Zu den öffentlichen Trägern gehören der Bund, die Länder, Kreise und Gemeinden, sowie Landesversicherungsanstalten und Berufsgenossenschaften. Krankenhäuser der privaten Träger sind solche, die als gewerbliches Unternehmen betrieben werden.22

Mit der Verabschiedung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes im Jahre 1972 wurde ein duales Finanzierungsmodell für die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland entwickelt. Die Betriebskosten, die durch die Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, werden durch die Krankenkassen abgedeckt. Hierzu handeln die Krankenkassen jährlich mit den Trägern der Krankenhäuser entsprechende Versorgungsverträge, sogenannte Krankenhauspläne aus.

Investitionskosten für Neubauten, Umbauten oder Erweiterungsbauten, sowie medizinische Großgeräte werden durch die Bundesländer im Rahmen der Investitionskostenfinanzierung zur Verfügung gestellt.
Durch die Aufnahme in die Krankenhausplanung des jeweiligen Bundeslandes hat ein Krankenhaus gemäß Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) einen Rechtsanspruch auf eine staatliche Förderung von Investitionen.

Investition in die stationäre Versorgung

Kosten des laufenden Betriebs eines Krankenhauses

Aktueller Trend: Ambulantisierung der Versorgung

Seit 2020 gab es darüber hinaus – insbesondere im Rahmen der Corona-Pandemie – diverse Bundeshilfen aus dem Bundeshaushalt zur Unterstützung der Krankenhäuser Deutschlands. Allein im Jahr 2021 wurden insgesamt 81,4 Mrd. Euro der Krankenhauskosten in Deutschland durch staatliche Transfers und Zuschüsse finanziert oder gestützt. 17,2 Mrd. Euro fielen für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, Schutzmasken, Corona-Testungen und Impfzentren als direkte Bundeszuschüsse aus. 5 Mrd. Euro fielen für Maßnahmen der Pandemiebekämpfung an, 3,5 Mrd. für die Beschaffung von Impfstoffen.23
Wie auch im ambulanten Bereich liegt im stationären Bereich eine defizitäre Finanzierung vor. Die Inflation sowie die steigenden Kosten für Personal sind im stationären Bereich ebenfalls präsent. Eine Preisanpassung der Leistungen analog zur freien Wirtschaft ist aufgrund von gesetzlich festgelegten jährlichen Preisanpassungen nicht frei umsetzbar. Die allgemeinen Preissteigerungen bei Krankenhäusern lagen 2022 bei ca. 2,3 Prozent, die Inflation hingegen lag bei insgesamt 7,9 Prozent.24
Viele Behandlungen und Eingriffe, die bisher in der stationären Versorgung stattgefunden haben, können heute in Folge des medizinischen Fortschrittes ambulant durchgeführt werden. Dies bietet den Vorteil, dass Kosten reduziert und unnötige Krankenhausaufenthalte vermieden werden können. Zudem würden in den Krankenhäusern wichtige Ressourcen frei, um schwere Erkrankungen zu behandeln. Auffällig ist, dass in anderen Ländern bereits eine hohe Anzahl an ehemals stationären Behandlungen und Eingriffen ambulant durchgeführt werden. Deutschland hinkt in dieser Entwicklung hinterher.25

Um die Durchführung ambulanter Eingriffe zu fördern, fordern ärztliche Verbände wie der SpiFa mit seinen angeschlossenen Mitgliedsverbänden, aber auch die Bundesregierung seit Längerem, die Ambulantisierung voranzutreiben.

Als jüngste Entwicklung wurde neben dem Katalog der ambulanten Operationen gemäß § 115b SGB V ein weiterer gesetzlicher Ansatz für die Förderung spezieller sektorengleicher Vergütungen für ärztliche Leistungen, sogenannte Hybrid-DRG, durch den Gesetzgeber beschlossen. Durch die Einführung von Hybrid-DRG sollen ambulante Behandlungen und Eingriffe gefördert werden, welche heute überwiegend noch stationär erbracht werden, aber einen geringen Komplexitätsgrad aufweisen und ambulant erbracht werden können. Der SpiFa hat hierfür zusammen mit dem Deutschen Institut für Fachärztliche Versorgungsforschung (DIFA) einen Katalog mit insgesamt 6.920 Prozeduren und Leistungen erstellt, die für die Abrechnung mit Hybrid-DRG infrage kommen. Von diesen Leistungen sind bereits 1.908 Prozeduren im heutigen Katalog für das ambulante Operieren, könnten aber zukünftig durch Hybrid-DRG noch weiter gefördert werden.

Quelle: eigene Darstellung nach Deutsches Ärzteblatt (2022), 119(37): A-1507 / B-1262
Quelle: eigene Darstellung

Medizinisch-Ökonomische Zwänge im Gesundheitswesen

„Der Hauptkonflikt zwischen Medizin und Ökonomie besteht darin, dass die Medizin von ihrem Grundverständnis her der Sorge um den Kranken verpflichtet ist, die Ökonomie hingegen die Maximierung des Nutzens verfolgt.“

Professor Giovanni Maio, April 201126

Vor allem in der Krankenhausversorgung wird zunehmend beklagt, dass ökonomische Zielsetzungen zu Qualitätsverlusten in der ärztlichen Versorgung führen, weil das Management in der stationären Versorgung überwiegend betriebswirtschaftlich orientiert ist. Der Medizinbetrieb wird immer mehr durch ökonomische Rahmenbedingungen gesteuert und damit fremdbestimmt. Damit droht das Patientenwohl als das eigentliche Ziel der Krankenversorgung nachrangig zu werden. Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Garant dafür sollte die in der Berufsordnung an vorderster Stelle postulierte freie Berufsausübung der Ärztin bzw. des Arztes sein, damit Patientinnen und Patienten möglichst unbeeinflusst von nicht-medizinischen und vor allem ökonomisch motivierten Einflüssen behandelt werden können.

Angehörige freier Berufe erbringen aufgrund ihrer besonderen beruflichen Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Die Berufsausübung unterliegt dabei in der Regel spezifischen berufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zu Patientinnen und Patienten bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt. Sie unterliegen grundsätzlich einer Bindung an das gesellschaftliche Gemeinwohl.

Der Europäische Gerichtshof hat am 11. Oktober 2001 den freien Beruf generell mit folgender Definition vom Gewerbebetrieb abgegrenzt:

„Freie Berufe sind Tätigkeiten, die ausgesprochenen intellektuellen Charakter haben, eine Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung und diese Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbstständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlung voraus.“

Europäischer Gerichtshof, (2001)

Das Prinzip des freien Berufes lässt sich deshalb auf Dauer nur stärken, wenn die Ärztin und der Arzt grundsätzlich in ihrer medizinischen Indikationsstellung, der Wahl ihrer Therapie, aber auch wirtschaftlich unabhängig sind.

Quellenverzeichnis

1 1. Nationale Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft (2005)

2 WifOR Institute (2023): Gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung (GGR)

3 Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2023): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Daten 2022.

4 Bundesministerium für Gesundheit (2023): Gesundheitswirtschaft als Jobmotor

5 Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2023): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Daten 2022.

6 Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) (2023), Jahreszahlen

7 Bundesärztekammer (2022): Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2022

8 Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) (Q4/2021-Q3/2022): Honorarbericht, Daten Q4/2021-Q3/2022

9 Statistisches Bundesamt (2023), Pressemitteilung Nr. 386

10 Kassenärztliche Bundesvereinigung (2023): Mehr als ein Alarmsignal

11, 12 Bundesärztekammer (2022), Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2022

13 Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2023): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Daten 2022.

14 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (2022): Zi-Praxis-Panel Jahresbericht 2021

15 Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG (2023): apoBank-Analyse: Investitionen in ärztliche Existenzgründungen 2021/2022 weiter gestiegen

16 Virchowbund (2023): Praxis-Knowhow

17 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (2022): Zi-Praxis-Panel Jahresbericht 2021

18, 19 Virchowbund (2023): Praxis-Knowhow/Personal

20 Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgungsforschung in Deutschland, (2022): Personal- und Betriebskostenentwicklung von Arztpraxen in Deutschland 2017 bis 2020 und Projektion für die Jahre 2021 und 2022 (im Vergleich zur Inflationsrate)

21 AOK (2023), Gesundheitspolitik, Hintergrund, Stationäre Versorgung, Zahlen-Daten-Fakten

22 Land, Beate (2018): Das deutsche Gesundheitssystem Struktur und Finanzierung

23 Statistisches Bundesamt (2023), Pressemitteilung Nr. 242

24 Deutsche Krankenhausgesellschaft (2024): Defizit-Uhr

25 Kassenärztliche Bundesvereinigung (2023): Gesundheitsdaten

26 Bayerisches Ärzteblatt (2012), Ausgabe 7-8, Dr. Max Kaplan

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